Sozialtraining

Kinder mit Autismus lernen soziales Verhalten nicht wie andere Kinder „nebenbei“. Soziale Situationen sind ihnen oft zu unübersichtlich, soziale Signale zu versteckt oder unverständlich, soziale Regeln zu unklar und komplex.
Das Erlernen sozialer Regeln kann nur in konkreten Interaktionen stattfinden, da es der kontinuierlichen Rückmeldung durch andere bedarf.

Da soziale Signale häufig mehrdeutig sind, entstehen bei sozialer Interaktion Unsicherheiten und Frustrationen: "Ich verstehe nicht und werde nicht verstanden". Es ist eine wichtige Aufgabe, dies zu erkennen und ausreichend positive Rückmeldung selbst bei kleinen Erfolgen zu geben. Oft bleibt ihnen daher das Verhalten ihrer Mitmenschen ein Rätsel. Auch wissen sie häufig nicht um die Wirkung ihres eigenen Verhaltens. Sie sind darauf angewiesen, dass ihnen jemand das Verhalten anderer interpretiert und ihnen explizite Hilfestellungen und Regeln für die eigene Verhaltensorganisation anbietet.

Das Sozialtraining versucht, die Teilnehmer dort abzuholen, wo sie in ihrer derzeitigen Entwicklung stehen. Durch die Gruppensituation kommen die Teilnehmer/-innen untereinander in Kontakt und erhalten zahlreiche Übungsmöglichkeiten für sozial kompetentes Verhalten. Kinder mit Autismus profitieren davon, in klar strukturierten Situationen soziale Erfahrungen zu machen und Kompetenzen explizit zu üben.
 
Es gehören alle Themen zum Sozialtraining. Die Lebenssituation der Teilnehmer gestaltet die Themenauswahl entscheidend mit.

Das primäre Ziel zur Förderung der sozialen Kompetenz liegt weniger darin, das Verhalten der Kinder durch reines Antrainieren bestimmter Verhaltensweisen so unauffällig und „normal“ wie möglich zu machen. Wenn man nur isolierte Fertigkeiten und Routinen trainiert, läuft man Gefahr, die Abhängigkeit von bestimmten Signalwörtern oder Hinweisen zu verstärken und somit die Ängstlichkeit und Unsicherheit der Betreffenden zu erhöhen. Vielmehr geht es zunächst darum, eine transparente und verständliche soziale Situation zu schaffen, in der die Teilnehmer sich wohl fühlen und sich dem Kontakt mit anderen öffnen. Das positive Erleben und Verstehen sozialer Situationen bildet somit die Grundlage und Motivation für das soziale Lernen.
 
Daher ist unser Sozialtraining, das sowohl auf der Grundlage des "Münchner Sozialtrainings" von Olav Gersbacher basiert, als auch weitergehend auf der "Förderung der sozialen Kompetenz (SOKO) auf der Basis des TEACCH Modells" von Frau Anne Häußler, in unterschiedliche Gruppen gegliedert, die auf den verschiedenen Altersstufen, Lebenssituationen und individuellen Bedürfnissen aufbaut.
Sozialtrainingsgruppe für Mädchen
In den regulären Sozialtrainingsgruppen, die für Jungen und Mädchen offen sind, kam es immer wieder dazu, dass die Mädchen deutlich in der Unterzahl waren. So war häufig ein Mädchen alleine mit 5-6 Jungen in einer Gruppe. Dieser Umstand erschwerte es manchen Mädchen, sich in der Gruppe wohl zu fühlen oder ihre eigenen, mädchenspezifischen Anliegen einzubringen.

Gerade im Jugendalter ist es für Mädchen jedoch sehr wichtig, sich mit eigenen Themen beschäftigen und darüber austauschen zu können. Um diesem Bedarf gerecht zu werden, wurde im Oktober 2013 eine Mädchengruppe gegründet, die erste Sozialtrainingsgruppe speziell für Mädchen in der PRAXIS AUTISMUS. Die Mädchen treffen sich seitdem alle 14 Tage. Aktuell besteht die Gruppe aus 5 Mädchen mit Asperger Autismus und atypischem Autismus im Alter von 13-18 Jahren und wird von zwei Therapeutinnen geleitet (Melinda Ekmen, Petra Mayer).

Die Schwerpunkte liegen auf dem Austausch der Mädchen untereinander und der Förderung von gemeinsamen Aktivitäten. Die Therapeutinnen arbeiten ressourcenorientiert mit dem Ziel, die individuellen Stärken jeder einzelnen ans Licht zu bringen und zu fördern. Praxiserfahrungen aus Sozialtrainings in unterschiedlichsten Variationen fließen in die konzeptionelle Ausgestaltung der Mädchengruppe ein. Der therapeutische Ansatz orientiert sich an den individuellen Bedürfnissen der Teilnehmerinnen. Er kann am besten als Kombination verschiedener Therapieformen beschrieben werden und entspricht somit dem therapeutischen Gesamtkonzept der PRAXIS AUTISMUS.

Die Mädchen besprechen und bearbeiten in der Gruppe, unterstützt durch die Therapeutinnen, inhaltliche Themen wie z. B. Autismus, Gefühle, Liebe, Mobbing, Freundschaft, SmallTalk, Prüfungsvorbereitungen. Meist basiert die Themenauswahl auf Vorschlägen oder Fragen der Mädchen, manchmal geben die Therapeutinnen einen Impuls.
Bei der Planung und Gestaltung der Gruppenstunden sind die Teilnehmerinnen stets selbst gefragt, und es gelingt ihnen, unter anderem dank der vereinbarten vertrauten Strukturen und Gruppenregeln, sich einzubringen und die gemeinsamen Termine mitzugestalten.

Für persönliche Anliegen der Mädchen, über die sie sich gerne mit der Gruppe austauschen möchten, ist in jeder Gruppenstunde ausreichend Zeit eingeplant. Besonders wichtig sind für die Mädchen die gemeinsamen Aktivitäten, die sie zusammen organisieren, z. B. Ausflüge in den Zoo und in den Park, ein Besuch auf dem Weihnachtsmarkt oder ein Cafebesuch. Solche Ausflüge kosten manchmal viel Überwindung. Es ist schwierig, sich in eine neue, fremde Situation hineinzubegeben oder sich an einem Ort mit vielen Menschen aufzuhalten. Die Unterstützung der anderen Mädchen und der Therapeutinnen hilft, Mut zu fassen und den Schritt in solche aufregenden neuen Situationen zu wagen.

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